Das Regelwerk der deutschen Rechtschreibung hat 2017 ein Update erhalten. Erfahren Sie in diesem Beitrag, was seitdem neu in der deutschen Rechtschreibung ist.
Genauso wie die deutsche Sprache ist auch die deutsche Rechtschreibung ständig in Bewegung. Die jüngste Anpassung erfolgte Ende Juni 2017. Die größte Neuerung ist wohl die Einführung eines neuen Großbuchstabens: Das große Eszett ist da! Zudem wurde bei festen Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv die Groß- und Kleinschreibung des Adjektivs angepasst.
Und auch im Wörterverzeichnis gab es Änderungen: Bei einigen Fremdwörtern wurden bislang zugelassene Varianten gestrichen, bei anderen neue Schreibweisen eingeführt. Was sich im Einzelnen geändert hat, erfahren Sie in diesem Sprachtipp.
Am 29. Juni 2017 hat der Rat für deutsche Rechtschreibung eine aktualisierte Fassung des amtlichen Regelwerks der deutschen Rechtschreibung veröffentlicht. Damit gilt im deutschen Sprachraum ab sofort eine leicht veränderte, an den beobachteten Sprachgebrauch angepasste Rechtschreibung. Müssen Sie jetzt schon wieder neue Regeln lernen? Kein Grund zur Panik! Die Änderungen sind minimal und betreffen im Wesentlichen drei Bereiche:
1. Das große Eszett
2. Die Groß- und Kleinschreibung von Adjektiven in festen Verbindungen
3. Änderungen im Wörterverzeichnis (Fremdwörter)
1. Das große Eszett
Mit der jüngsten Aktualisierung hat das deutsche Alphabet einen neuen Großbuchstaben erhalten: das großes Eszett oder scharfe s. Es sieht aus wie eine Mischung aus kleinem Eszett und großem B: „ẞ“. Ab sofort darf das neue „ẞ“ neben dem bislang üblichen „SS“ verwendet werden, wenn ein Wort mit Eszett in großen Buchstaben geschrieben wird. Damit steht fortan „STRAẞE“ gleichberechtigt neben „STRASSE“ und „MAẞNAHME“ neben „MASSNAHME“. Das sei „insbesondere für die korrekte Schreibung von Eigennamen in Pässen und Ausweisen wichtig“, erklärt der Rat für deutsche Rechtschreibung in seiner Pressemitteilung vom 29. Juni. Bislang war es in Ausweispapieren unklar, ob ein Name wie „GROSSMANN“ mit doppeltem s oder Eszett geschrieben wird. Dieses Problem ist nun gelöst.
Auch in der Werbung dürfte das große Eszett gut ankommen. Denn Headlines in Majuskeln sind hier Standard. Wie schön, dass nun auch auf Plakaten und Co. „IN MASSEN“ von „IN MAẞEN“ unterschieden werden kann!
Doch nun zur Anwendung: Wie erzeugen Sie den neuen Großbuchstaben am PC? In Unicode (z. B. für Word) hat das große Eszett den Zeichencode „1E9E“ und kann mit der Tastenkombination „1E9E, Alt-C“ erzeugt werden (also „1E9E“ eingeben, dann gleichzeitig „Alt“ und „C“ drücken). In HTML erzeugen Sie den neuen Großbuchstaben durch die Eingabe des Codes „ẞ“.
2. Die Groß- und Kleinschreibung von Adjektiven in festen Verbindungen
Die zweite Änderung im Regelteil bezieht sich auf die Groß- und Kleinschreibung des Adjektivs in festen Verbindungen aus Adjektiv und Substantiv. Damit Sie die Neuerung besser einordnen können, werde ich ein wenig ausholen und zunächst die alte Regelung vorstellen:
Die alte Regelung
Bislang wurden Adjektive in substantivischen Wortgruppen, die zu festen Verbindungen geworden sind, aber keine Eigennamen sind, grundsätzlich kleingeschrieben. Geregelt war dies in § 63 des amtlichen Regelwerks.
§ 64 enthielt dann die Ausnahmen: bestimmte substantivische Wortgruppen, in denen die Adjektive großgeschrieben wurden. Dies waren: Titel, Ehrenbezeichnungen, bestimmte Amts- und Funktionsbezeichnungen (wie „der Heilige Vater“ oder „der Regierende Bürgermeister“), besondere Kalendertage (wie „der Heilige Abend“) und fachsprachliche Bezeichnungen bestimmter Klassifizierungseinheiten, also Arten usw., (wie „Grüner Veltliner“ oder „Roter Milan“).
Die neue Regelung
Mit der neuen Regelung wird die strikte Kleinschreibung des ehemaligen § 63 gelockert. Neben der vorgeschriebenen Kleinschreibung und der vorgeschriebenen Großschreibung gibt es nun einen dritten Fall: Der Schreiber kann unter bestimmten Bedingungen selbst zwischen großem und kleinem Anfangsbuchstaben wählen. Wann welche Regel greift, beschreibt der neue § 63. § 64 wurde dafür gestrichen.
Zu unterscheiden sind fortan drei Fälle:
(1) Kleinschreibung
(2) Wahlfreiheit
(3) Großschreibung
Grundsätzlich richtet sich die Schreibung des Adjektivs in einer festen Verbindung aus Adjektiv und Substantiv, die als Ganzes eine begriffliche Einheit bildet, nach dem vorliegenden Gebrauch:
(1) Kleinschreibung: das Adjektiv wird kleingeschrieben
(1.1) das Adjektiv wird kleingeschrieben bei wörtlichem Gebrauch der Einheit (Bedeutung der Einzelteile = Bedeutung der Einheit)
> „die absolute Mehrheit“, „das geistige Eigentum“, „die natürliche Person“
(1.2) das Adjektiv wird kleingeschrieben bei metaphorischem oder metonymischem Gebrauch (ein Bestandteil oder das Ganze wird figurativ gebraucht, ein Bild wird übertragen)
> „der blinde Passagier“ (der meist sehen kann), „die faulen Geschäfte“ (die nicht aufgrund einer langen Lagerung verdorben sind), „der geistige Vater“ (der unter Umständen kinderlos ist)
(2) Wahlfreiheit: das Adjektiv kann großgeschrieben werden
(2.1) das Adjektiv kann großgeschrieben werden bei idiomatisierter Gesamtbedeutung (das Ganze bekommt eine neue lexikalische Bedeutung)
> „der blaue/Blaue Brief“ (= Verwarnungsschreiben), „das schwarze/Schwarze Brett (= Anschlagtafel)
Dieser Fall der Großschreibung war bereits vor der Anpassung im Juni teilweise erlaubt, die Kleinschreibung galt jedoch als Regelfall (vgl. den alten § 63 E).
(2.2) das Adjektiv kann großgeschrieben werden bei fachsprachlichen oder terminologisch gebrauchten Verbindungen (entspricht dem alten § 64, aber ausgeweitet)
> „der goldene/Goldene Schnitt“ (Mathematik), „der neue/Neue Markt“ (Wirtschaft)
Diese Regelung gilt vor allem in Botanik und Zoologie. Die Wahlfreiheit betrifft aber nicht alle Fachsprachen. Am besten, Sie werfen jeweils einen Blick ins Wörterverzeichnis.
(3) Großschreibung: das Adjektiv wird großgeschrieben
(3.1) das Adjektiv wird großgeschrieben bei Titeln, Ehren- und Amtsbezeichnungen (war früher: § 64)
> „der Heilige Vater“ oder „der Regierende Bürgermeister“
(3.2) das Adjektiv wird großgeschrieben bei offiziellen und kirchlichen Feier- und Gedenktagen (entspricht dem alten § 64, aber ausgeweitet)
> „der Erste Mai“, „der Internationale Frauentag“, „der Heilige Abend“
Dazu kommt eine Ergänzung: Die Großschreibung ist nun auch möglich bei Funktionsbezeichnungen und besonderen Anlässen und Kalendertagen:
> „der erste/Erste Vorsitzende“, „der technische/Technische Direktor“, „das neue/Neue Jahr“
Sie können also Ihren Kunden in ein paar Monaten offiziell „Alles Gute im Neuen Jahr“ wünschen!
Falls Sie sich die Regeln zur Schreibung des Adjektivs in festen Verbindungen nicht merken möchten: Ein schneller Blick in die neue Auflage des Rechtschreibdudens (erschienen im August 2017) tut es auch!
3. Änderungen im Wörterverzeichnis (Fremdwörter)
Was ist sonst noch neu in der deutschen Rechtschreibung? Auch im amtlichen Wörterverzeichnis gab es einige Änderungen. Vor allem im Bereich der Fremdwörter wurden Anpassungen an den beobachteten Schreibgebrauch vorgenommen.
Bei den Fremdwörtern gab es im Einzelnen folgende Änderungen:
Aussortierte Varianten
Diese Variantenschreibungen wurden gestrichen:
– Anschovis (jetzt nur noch: Anchovis)
– Belkanto (jetzt nur noch: Belcanto)
– Bravur (jetzt nur noch: Bravour)
– inkl. bravurös (jetzt nur noch: bravourös)
– Campagne (jetzt nur noch: Kampagne)
– Frotté (jetzt nur noch: Frottee)
– Grislibär (jetzt nur noch: Grizzlybär)
– Jockei (jetzt nur noch: Jockey)
– Joga (jetzt nur noch: Yoga)
– Kalvinismus (jetzt nur noch: Calvinismus) (ebenso: jetzt nur noch: calvinisch)
– Kanossa(gang) (jetzt nur noch: Canossa(gang))
– Kargo (jetzt nur noch: Cargo)
– Ketschup (jetzt nur noch: Ketchup)
– Kollier (jetzt nur noch: Collier)
– Kommunikee (jetzt nur noch: Kommuniqué)
– Majonäse (jetzt nur noch: Mayonnaise > Achtung: mit zwei „n“!)
– Masurka (jetzt nur noch: Mazurka)
– Negligee (jetzt nur noch: Negligé, in der Schweiz auch: Négligé)
– Nessessär (jetzt nur noch: Necessaire > Achtung: endet auf „e“!)
– passee (jetzt nur noch: passé)
– Rakett (jetzt nur noch: Racket)
– Roulett (jetzt nur noch: Roulette)
– Varietee (jetzt nur noch: Varieté, in der Schweiz auch: Variété)
– Wandalismus (jetzt nur noch: Vandalismus)
Neue Varianten
Diese vier Schreibweisen wurden als gleichberechtigte Varianten neu zugelassen:
– Canapé neben Kanapee
– Entrée neben Entree
– Praliné neben Pralinee
– Soirée neben Soiree
Diese bisher nur national zulässigen Schreibungen wurden als gleichberechtigte Variante allgemein zugelassen:
– Buffet neben Büfett („Buffet“ wurde bislang vor allem in der Schweiz verwendet)
– Casino neben Kasino („Casino“ wurde bislang vor allem in Österreich verwendet)
– Vademecum neben Vademekum („Vademecum“ wurde bislang vor allem in Österreich verwendet)
Drei Einträge wurden komplett gestrichen:
– Goali/Goalie (Schweizer Begriff für Torhüter)
– Cherub/Kerub
– Poulard (nur noch: Poularde)
Änderungen bei mehreren Amtssprachen
Neu aufgenommen wurde zudem der Hinweis auf Länder, die neben dem Deutschen weitere Amtssprachen führen. Bei diesen Ländern wurde mit der letzten Aktualisierung die originäre Schreibung für grundsätzlich zulässig erklärt.
Bindestrichschreibung bei Personenbezeichnungen
Was ist sonst noch neu in der deutschen Rechtschreibung? Gute Neuigkeiten gibt es für alle, die sich – wie ich – mit dem Lesen des Begriffs „Koautor“ immer etwas schwergetan haben: Ab sofort ist neben „Koautor“ auch die Schreibweise „Co-Autor“ erlaubt. Achtung! Das sind gleich zwei Änderungen in einem Wort: 1. Neben „Ko…“ steht nun gleichberechtigt „Co-…“ mit „C“. 2. Die Schreibung mit Bindestrich ist fortan „explizit“ erlaubt. Und zwar nicht nur für „Co-Autor“, sondern auch für „Exkaiser“ beziehungsweise ab sofort auch: „Ex-Kaiser“.
Immer noch klein: Herzlich willkommen!
Nicht aufgenommen durch die neuen Regelungen wurde hingegen die beobachtete Tendenz zur Großschreibung bei „Herzlich willkommen!“ Hier gilt: Egal, wie häufig Sie es anders lesen: „Herzlich willkommen!“ schreibt man mit kleinem „w“. Auch nach der jüngsten Anpassung!
Weiterführende Informationen
Falls Sie mehr über das amtliche Regelwerk und die neusten Änderungen erfahren möchten: Hier finden Sie weitere Informationen:
– Pressemitteilung des Rats für deutsche Sprache vom 29.6.2017
– 3. Bericht des Rats für deutsche Rechtschreibung (2011 – 2016) (hier insbesondere die Seiten 3 – 11 und 25 – 27)
– Übersicht über die verschiedenen Fassungen des Regelwerks auf der Website des Rechtschreibrates
Neuauflage Duden – Die deutsche Rechtschreibung
Die aktuellen Änderungen finden natürlich auch im Duden ihren Niederschlag: Am 9. August erschien die 27. Auflage des Rechtschreibdudens. Eine Rezension lesen Sie hier .
Im nächsten „Sprachtipp aus dem Werbelektorat“ erfahren Sie, was Sie bei Auslassungspunkten beachten sollten. Wann verwenden Sie diese mit Leerzeichen, wann ohne? Warum ist das überhaupt wichtig?
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Danke für den Hinweis auf den neuen Duden und die Ankündigung, wann er erscheinen wird. Da wird wohl mal wieder eine neuer fällig.
Gruß Cordula
Gerne! Ich freue mich schon auf den neuen Duden. Das ist dann schon die fünfte Auflage, die bei mir im Bücherregal steht!
Liebe Kerstin,
wunderbare Zusammenfassung der neuen Regeln, sehr schnell erfassbar!
In dieser Form habe an anderer Stelle und vor allem beim Deutschen Rechtschreibrat leider vergeblich gesucht.
Vielen Dank dafür, ich bleibe an deinem Blog jetzt dran 🙂
Deine Texttreff-Kollegin
Vielen Dank, liebe Jutta! Es freut mich, wenn dir der Post gefallen hat!
Prima gemacht, gefällt mir. Gut auch die Beispiele dazu.
Bin schon ein älteres Semester und hab mich oft über Rechtschreib-Unsinn geärgert den meine Kinder / Enkel in der Schule lernen sollten
Danke, liebe Margit! Freut mich, dass dir der Beitrag gefällt!